Der VGH Kassel [VGH Kassel Beschluss vom 08.01.2024, 4 B 1668/23] hatte über die Rechtmäßigkeit einer Baueinstellungsverfügung zu entscheiden, die nach Ablehnung eines Bauantrags erlassen wurde. Der Adressat der Einstellungsverfügung wendete ein, dass die beantragte Baugenehmigung bereits gemäß § 65 Abs. 2 Satz 3 HessBauO als genehmigt gelte, die angefochtene Baueinstellung mithin rechtswidrig sei.
Grundsätzlich sieht (auch) die Hessische Bauordnung (HessBauO) eine sog. Genehmigungsfiktion vor:
- Gemäß § 65 Abs. 2 Satz 3 HessBauo gilt die Baugenehmigung als erteilt, wenn die Baugenehmigungsbehörde über den Bauantrag „…nicht innerhalb der nach Satz 2 maßgeblichen Frist entschieden worden ist.“
- § 65 Abs. 2 Satz 2 HessBauO lautet: „…Über den den Bauantrag ist innerhalb von drei Monaten nach Eingang des vollständigen Antrages zu entscheiden; die Bauaufsichtsbehörde kann diese Frist aus wichtigem Grund um bis zu zwei Monate verlängern…“ .
Tatsächlich ging der die Baugenehmigung ablehnende Bescheid dem Antragsteller erst nach Ablauf von 3 Monaten zu.
Allerdings hatte der Antragsteller den Bauantrag zwar als „natürliche Person“ gestellt, hierbei jedoch nicht seine Privatanschrift, sondern seine Büroanschrift angegeben. Der Name des Antragstellers als „natürliche Person“ befand sich weder auf einem der Klingelschilder noch auf einem Briefkasten des Gebäudes. Der den Bauantrag ablehnende Bescheid wurde daher an der im Bauantrag angegebenen Adresse nicht zugestellt. In der Postzustellungsurkunde wurde vermerkt: „Empfänger unbekannt verzogen.“
Der VGH Kassel bestätigte die Entscheidung des VG Kassel und lehnte den Antrag im einstweiligen Rechtsschutz gegen die Baueinstellungsverfügung ab. Ein Bauherr könne sich nämlich nicht auf den Eintritt der Genehmigungsfiktion gemäß § 65 Abs. 2 Satz 3 HessBauO berufen, wenn er durch widersprüchliche Angaben in seinem Bauantrag die nicht fristgerechte Zustellung des seinen Bauantrag ablehnenden verursacht.
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