Vorsicht vor einer heranrückenden Wohnbebauung.
Der Bedarf an bezahlbarem Wohnraum wächst zunehmend. Auch und gerade in innerstädtischen Lagen. Es werden neue Wohnbauflächen ausgewiesen, oder bestehende Bebauungspläne geändert, um den steigenden Wohnbedarf zu decken. Durch die Einführung des Urbanen Gebietes gem. § 6a BauNVO [siehe auch https://engelmann-legal.de/newsletter] soll u.a. das Nebeneinander von verdichteter Wohnnutzung, Gewerbe, Geschäften, Verwaltung sowie kulturellen und sozialen Einrichtungen über die bis dahin bestehenden Möglichkeiten hinaus erleichtern. Soweit so gut. Dabei dürfen die Interessen von Gewerbebetrieben nicht aus den Augen verloren werden.
Gewerbebetriebe selbst sollten die bauliche Entwicklung in ihrem Umfeld sorgsam beobachten und sich regelmäßig über die Ausweisungen etwaiger neuer [Wohn-] Baugebiete, beabsichtige Änderungen des bestehenden Planungsrechts/Bebauungsplans oder Bauvorhaben bzw. Bautätigkeiten in ihrem Umfeld informieren und ihre berechtigten Interessen ggf. rechtzeitig einbringen und wahren. Im Zweifel gerichtlich. Denn durch eine „heranrückende Wohnbebauung“ drohen unter Umständen Einschränkungen des bestehenden Betriebes und/oder künftig erforderlicher Erweiterungen. Der vielfach zitierte „Bestandsschutz“ hilft dabei nur bedingt weiter.
Grundsätzlich besteht ein etwaiger [baurechtlicher] Bestandsschutz nur für den genehmigten Bestand. Oder ggf. dann, wenn nachgewiesen werden kann, dass das Gebäude und dessen Nutzung über einen längeren Zeitraum genehmigungsfähig gewesen waren. Nachweispflichtig ist dabei der Eigentümer. Der baurechtliche Bestandsschutz „sichert“ insofern aber nur den ursprünglich genehmigten Bestand. Nur dieser ist erfasst und nicht etwa künftige Erweiterungen oder betriebliche Weiterentwicklungen, seien diese noch so nachvollziehbar. Bauliche Erweiterungen sollten daher geprüft und rechtzeitig abgesichert werden. Zum Beispiel durch eine Bauvoranfrage.
Handelt es sich um einen emittierenden, z.B. lärm- oder geruchsintensiven, Betrieb, so treffen den Betreiber weitergehende Verpflichtungen, z.B. gem. Bundesimmissionsschutzgesetz [BIMSCHG]. Auch nicht genehmigungsbedürftige Anlagen i.S.d. BIMSCHG müssen dabei schädliche Umwelteinwirkungen, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind, vermeiden und ggf. entsprechende Maßnahmen ergreifen.
Diese Betreiberpflichten sind dynamisch, d.h. der Betreiber kann u.U. nachträglich behördliche Auflagen erhalten, z.B. die Verpflichtung zur Nachrüstungen seiner Anlage, um schädliche Emissionen einzudämmen. Dies ist ggf. auch dann möglich, wenn sich die nunmehr unzumutbaren Beeinträchtigungen erst durch eine „heranrückende Wohnbebauung“ ergeben, etwa weil sich die „neuen Nachbarn“ bei der Behörde über zu viel Lärm oder störende Gerüche“ beschweren.
Möglicherweise betroffene Gewerbe- oder landwirtschaftliche Betriebe sollten daher frühzeitig ihre Belange und Rechte wahren. Sei es bei der Aufstellung oder Änderung eines Bebauungsplanes oder im Rahmen eines Baugenehmigungsverfahrens. Dies kann auf unterschiedliche Weise geschehen und ist vom jeweiligen Einzelfall abhängig.
Wichtig ist, dass auch dem Gewerbetreibendem alle für seinen Betrieb erforderlichen Genehmigungen vorliegen und diese beachtet werden. Andernfalls droht möglicherweise „Ungemach“. Liegen nicht alle Genehmigungen vor, oder werden z.B. einzelne Auflagen [noch] nicht erfüllt, sollte kurzfristig nachgebessert werden. Entsprechendes gilt für beabsichtigte, aber noch nicht in die Wege geleitete Erweiterungen.
Wer im Vertrauen auf einen etwaigen Bestandsschutz die Augen vor einer „heranrückenden Wohnbebauung“ verschließt, dem droht u.U. ein „böses Erwachen“. Dies gilt insbesondere für emittierende Gewerbebetriebe, u.U. aber auch für landwirtschaftliche Betriebe.